Mittwoch, 2. November 2016

Abschlussbericht Phase 1 (Köln/Ehrenfeldstudios) und 2 (Hamburg/Fleetstreet Theater)/ Capacitive Sound

Abschlussbericht Recherche Projekt „Capacitive Sound“
Maximiliano Estudies, Valérie Kommer, Tim Behren
Gast: Silvia Ehnis




Das künstlerische Forschungsprojekt wurde in zwei Phasen realisiert:

Residenzphase I // Köln - Ehrenfeldstudios
Gefördert durch das Förderprogramm der SK Stiftung Kultur und unterstützt durch die Kölner Ehrenfeldstudios

Inhalte:
- Konzeptuelle Recherche
- Bewegungsresearch
- Programmierung, Entwurf der technischen Prototypen und Sensorenbau
- Arbeitspräsentation, zeitlich nach der Residenzphase II, im November 2016

Residenzphase II // Hamburg - Fleetstreet Residenz
Gefördert durch die Kulturbehörde Hamburg, Rudolf Augstein Stiftung, Hamburgische Kulturstiftung und das Fleetstreet Residenz Programm

Inhalte:
- Projektentwicklung vor Ort mit Bezug auf die örtlichen Gegebenheiten
- Gestaltung eines partizipativen Probensettings für das Laufpublikum
- Entwicklung performativer Anordnungen
- Weiterprogrammierung + Technikanpassung der Sensoren
- Arbeit mit Raum-, und Sprechmikrophonen
- Anwendung der Sensoren im performativen Setting
- Offenes Warm-up jeden morgen zum Austausch mit KollegInnen vor Ort
- 3 offene Labs zum Experimentieren gemeinsam mit KollegInnen vor Ort
- Arbeitspräsentation am Ende der Residenz im August 2016

Bericht


Bewegung produziert Klang. Menschen die sich bewegen, Objekte die aufgenommen oder abgestellt werden, Hände die sich berühren - es entstehen Geräusche, die uns beim Hören ganz intuitiv vielerlei Informationen vermitteln. Sie geben uns unter anderem Auskunft darüber was sich bewegt, mit welcher Geschwindigkeit dies passiert oder in welcher Entfernung das Ereignis stattgefunden hat. Aber auch lesen wir Bewegungen und Geräusche emotional.

Wir verstehen Bewegungen genauer, weil wir sie hören können.  

Wie verändert sich unsere Wahrnehmung, wenn wir diese Geräusche modifizieren? Wie weit können wir sie manipulieren und unsere Seh- und Hörgewohnheiten aufs Glatteis führen und wie verändert das wiederum die ursprüngliche Bewegung? Wann dominiert und bestimmt der Klang die Bewegung, die wir sehen und wann dominiert die Bewegung den Klang?

Im Rahmen des künstlerischen Forschungsprojekts “Capacitive Sound” untersuchten wir, inwieweit man in einem performativen Setting die Zusammenhänge von Bewegung und Klang beleuchten bzw. zu erforschen vermag.

Die Recherche erfolgte in zwei Abschnitten. Die erste Phase in den Kölner ehrenfeldstudios diente zur konzeptuellen Recherche und Ausarbeitung unserer Forschungsansätze sowie der Planung des Projektes für den Residenzaufenthalt in Hamburg, einer ersten Bewegungsrecherche, dem Entwerfen von Prototypen der Sensoren, mit denen wir arbeiten würden, sowie deren Aufbau und Programmierung.
In der zweiten Phase, im Fleetstreet Theater in Hamburg, widmeten wir uns intensiver und kleinteiliger der Erforschung der Anwendungsmöglichkeiten der eigens für unsere Recherche gebauten Sensoren. Dies bedeutete für uns auch, den besonderen Raum den das Fleetstreet Theater darstellt in die praktische Umsetzung unserer Ideen einzubinden:

Das Fleetstreet Theater, das zwar eine kleine Bühne aufweist, nutzten wir für unsere Zwecke nicht als konventionelle Guckkasten Bühne sondern gingen auf die besondere Lage ein (die Admiralitätsstrasse ist flankiert von Kunstgalerien und Kunstbuchhandlungen und ist dementsprechend von Passanten regelmäßig frequentiert). Die eine Seite des Theaters ist mit Glasscheiben ausgekleidet, und gleicht daher der Architektur der Galerien von nebenan…diesen Faktor machten wir für unser Konzept nutzbar, indem wir einen Stuhl als Einladung zum Verweilen und Partizipieren bereitstellten:
Die Passanten wurden dazu eingeladen, wann immer es ihnen gefiel, durch die Glasscheiben und durch unsere aus Flyern gebastelte Camera Obscura einen “gerahmten Blick” ins Innere des Theaters zu werfen; Es hingen Kopfhörer bereit, die über im Raum aufgestellte Raummikrophone ein “Einhören” in unsere Proben ermöglichten.

Während der vierwöchigen Residenzzeit in Hamburg konnten wir in unterschiedlichen Anordnungen die Einflussnahme von Soundtechnik auf unsere Wahrnehmung als Zuschauer und Performer erproben. Hierfür galt es zunächst herauszufinden wie sich ein Sensor, am Körper eines Performers befestigt, zu Bewegung verhält, bzw. wie vice versa, ein Performer durch gezielte Bewegungen die Klangerfahrung im Raum beeinflussen kann. Für diese Recherche arbeiteten wir mit Kontakt-, Beschleunigungs- und Drucksensoren, die durch verschiedene Einflussnahme Parameter verändernd wirken:
Unser Musiker und Komponist Maximiliano Estudies verlinkte die Sensoren mit einem Software Programm, mit welchem es ihm möglich wurde die physische Beeinflussung der Sensoren rückkoppelnd in eine Modifizierung von Klangmustern zu übersetzen.

Das so erschaffene Wechselverhältnis: Performer-Sensor-Klangerfahrung im Raum platzierten wir in verschiedene Kontexte: 

1) Performer der durch die Berührung eines mit einem Kontaktmikrophon ausgestatteten Tisch eine Soundkomposition erschafft
2) Performer, die mit Sensoren an verschiedenen Körperteilen ausgestattet sind, und sich auf Basis eines Improvisations Scores bewegen und durch ihre Bewegungen so eine Soundkomposition beeinflussen oder auch vice versa von der so entstehenden Soundkomposition beeinflusst werden 

Die Informationen, die wir durch die Versuchsanordnungen sammelten, konnten wir dann in unserer Arbeitspräsentation bündeln und in kondensierter Weise einem Publikum, als Einblick in unserer Recherche, vermitteln. So entstanden zwei etwa fünf minütige Soli, die auf festgelegtem Bewegungsmaterial und einem „Sound-Parcours“ basierten.
Um die technische Anordnung zudem in einen künstlerischen Gesamtkontext einzubinden,
entschieden wir uns, Originalsamples aus dem Kontext aktueller Nachrichtensendungen zu verwenden. Hierbei fiel unsere inhaltliche Auswahl auf den Wahlkampf in den USA zwischen Hillary Clinton und Donald Trump. 


Resumée & Ausblick

Wir konnten uns im Rahmen der Recherche mit der Handhabe der von uns selbst entwickelten Sensoren Anordnung vertraut machen, und den Einsatz bzw. die Wechselwirkung von Bewegung und Klang erforschen. Wir integrierten die technische Anordnung in ein performatives Setting und erforschten die Möglichkeiten und Grenzen diese Anordnung für uns künstlerisch sinnstiftend einzusetzen.
In der Arbeitspräsentation mit Publikum war es uns ermöglicht eine erste Wirkung auf Publikum zu erproben. Hier zeichnen sich zwei Richtungen ab, in welche sich das Projekt in der Zukunft für uns weiter ausbauen liesse:

Zum einen könnten wir an der Verfeinerung der technischen Möglichkeiten und einer engeren Verschränkung mit der performativen Anordnung arbeiten; dies würde bedeuten die Technik zu perfektionieren und alle potentiellen Fehlerquellen möglichst auszuschließen Wir würden die Technik so in die Kleidung, und in das Setting einarbeiten, dass sie "verschwindet". Dies hätte zur Folge, dass die Technik dazu verhilft den illusorischen Charakter einer Performance zu verstärken und zu unterstützen. Die Technik wird zum Zweck und Mittel eines Effektes optimiert. Dies würde auch bedeuten weiter an der präzisen Handhabe der Sensoren durch die Performer zu arbeiten. Hieraus würden sich weitere differenzierte Informationen gewinnen lassen, wie eine genaue Bewegungsanordnung und ein Bewegungsvokabular einen bestimmten Klang erzeugt.

Die zweite Möglichkeit, die wir sehen, wäre die Technik nicht in aller Präzision weiterzuentwickeln, sondern das Augenmerk auf die performative Situation der Anordnung selbst zu richten; den offensichtlichen Fakt, dass wir Technik verwenden zu verstärken und dann diese Handlung zur Basis der Narration, zum Inhalt, zu machen: 
Wie verhält sich ein Performer, wenn das Equipment nicht tut, was es soll? Was erzählt sich durch den Versuch des Performers durch Technik Einfluss auf den Raum, auf die Wahrnehmung von sich und den Zuschauern zu nehmen? Wie kann sich der Dialog Performer vs. Technik erzählerisch auf der Bühne entfalten? Ist das Scheitern an der Technik, oder überhaupt der Wunsch sich durch technische Hilfsmittel „zu erweitern“, ein Thema der Zukunft oder vielmehr auch: der Gegenwart?  


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